Ratsch-Bladl Archiv 2 – DAV Alpenkranzl Erding Alpenkranzl-Informationen 05/2009-08/2010

4.9.2009

Ortleralpen statt Dauphiné

Filed under: Hochtouren,Tourenberichte — admin @ 15:07

23.-27. August 2009, mit Michael Kreuz – Wenn es wieder einmal ganz anders kommt …. Dauphine – das Karakorum der Alpen, und Barre des Écrins – der südlichste 4000er. Schon lange war diese Gegend eines meiner Ziele. Am Mittwoch vor der Abfahrt erhielt ich dann von einem („hochrangigen“) Teilnehmer eine SMS: „Schock, siehe Wetterbericht!“. Und leider hatte er recht. Der Wetterbericht sagte für Mitte der Tourenwoche einige Schlechtwettertage voraus. Da brachte der Extra-Anruf beim Wetterdienst in Innsbruck leider auch keine andere Erkenntnis. Und über 800km für unsichere Verhältnisse zu fahren war uns dann doch etwas zu weit. Auf der Suche nach einer Alternative fiel unser Blick auf die südlichen Ortleralpen – und auf der Branca-Hütte soll doch außerdem das Essen so gut sein …

Anreise über den Reschensee

So starteten wir einen Tag später als geplant am Sonntag zu fünft Richtung Bormio und S. Catarina Valfurva. Vom Parkplatz beim Rifugio Forni brachte uns der Weg in 1½ Stunden direkt zum Rifugio Pizzini. Der nette Hüttenwirt begrüßte uns persönlich. Überhaupt war nicht viel los. Beim sehr guten Abendessen verfeinerten wir den Plan für den nächsten Tag: Früh morgens los und vorbei am Rifugio Casati wollten wir auf den Cevedale. Da kam der Tipp unseres Hüttenwirtes gerade Recht: Er empfahl uns den direkteren Anstieg über den Gletscher Richtung Monte Pasquale aufzusteigen. So spart man sich das langweilige Stück zwischen Casati-Hütte und Gipfelanstieg.

Morgenlicht an der Königspitze

Pünktlich am nächsten Tag um 6 Uhr brachen wir auf. Zuerst ein Stück auf der Schotterstraße zur Materialseilbahn und dann weglos bis zum Gletscherbeginn. Der Gletscher vor uns hatte schon einige Spalten. Aber da die Teilnehmer teilweise erst vor zwei Wochen auf der Großvenediger-Tour die Spaltenbergung geübt hatten, konnte ich als Führer ganz beruhigt sein. Und nachdem bei einem Teilnehmer die Startschwierigkeiten mit dem Gletschergurt gemeistert waren (leider werden heute von „Fachgeschäften“ immer noch Komplettgurte anstatt richtigerweise Sitzgurte verkauft, was das Anziehen wesentlich schwieriger macht) starteten wir unseren Gletscheranstieg. Das Eis war gut zu gehen und der Firn in den steileren Passagen griffig. Kurz vor dem letzten Aufschwung zum Gipfel des 3769m hohen Monte Cevedale machten wir eine Pause in der Sonne.

Seilrettung

Die letzten Gipfelmeter dann stellten für eine (italienische) Seilschaft eine besondere Herausforderung dar. Eine Sicherung in der Querung über der Randkluft kann ja sinnvoll sein. Allerdings sollte man dann sein Seil so straff halten, dass es sich nicht an den Gletscherzacken der Randkluft verhaken kann. Und wenn es dann schon einmal versehentlich passiert bitte wenigstens kein zweites und drittes Mal! Irgendwann ging dann gar nichts mehr vorwärts und so stieg ich ein Stück vom Weg im Eis ab und „befreite“ das Seil der Italiener.

Am Gipfelgrat des Cevedale

Um 10:30 standen wir dann endlich auf dem sonnigen Gipfel des Cevedale. Jetzt hatten wir uns eine Brotzeit verdient. Unser Plan war die Überschreitung des Bergkammes weiter über den Piz Rosole zum Palon de la Mare. Bis dorthin hatten wir neben Gletscherspalten auch noch leichtere Kletterei zu bewältigen.

Feine Kletterei

Der erste Eindruck der Gruppe bestätigte sich einmal mehr. Alle waren trittsicher und so gab es hier keinerlei Sicherungsbedarf. Nach einigen Gletscheraufschwüngen standen wir dann auf unserem dritten Gipfel für heute.

Am Gipfel des Palon de la Mare

Im Tal zogen einige Wolken auf. Deshalb machten wir uns recht bald an den Abstieg. Dieser führte geradewegs durch den Gletscherbruch. Nach 11 Stunden erreichten wir glücklich

Glücklich?

aber auch ein wenig erschöpft

Erschöpft?

das Rifugio Cesare Branca. Zum Abendessen dann bekamen wir eine besondere Belohnung. Nicht nur das übliche Drei-Gänge-Menü, sondern sogar noch eine Vorspeise vor der Vorspeise mit Speck, Käse und Salat gab es. Der Tipp mit dem Essen hat sich also bestätigt.

Am nächsten Tag wollten wir etwas früher aufbrechen. Unser Ziel für diesen Tag ist die Punta San Matteo. Mit dem Hüttenwirt hatten wir eigentlich Frühstück für 5 Uhr vereinbart. Doch auf Wunsch eines Bergführers wurde dies auf 4:30 vorverlegt. Uns sollte es nur Recht sein., denn für den späten Nachmittag waren Gewitter möglich. So starteten wir dann um kurz nach fünf und ca. eine Viertelstunde später als eine andere Gruppe mit Bergführer. Weit vor uns sahen wir die Leuchtpunkte der Stirnlampen. Aber irgendetwas stimmte damit nicht. Kommt die andere Gruppe zurück? Ist da was passiert? Bei der Begegnung stellt sich dann heraus, dass der Bergführer sich einfach des Weges nicht mehr sicher war. Nur gut, dass es das Alpenkranzl Erding gibt! Das hilft dann auch einem (österreichischen) Bergführer schon mal aus der Patsche.

Punta San Matteo im Morgenlicht

Bis zum eigentlichen ersten Aufschwung auf dem Gletscher gehen wir fast zwei Stunden. Bis hierher war der Gletscher blank. Die vielen Granatsplitter, die die zunehmende Ausaperung freigibt zeigt uns, dass dieses Gelände im ersten Weltkrieg stark umkämpft war. Die Front verlief ja quer durch die Ortleralpen, weiter zum Adamellogebiet und von dort über die Brenta bis zum Gardasee. So trifft man auf Schritt und Tritt auf über 90 Jahre alte Hinterlassenschaften von Stacheldraht, Holzresten, teilweise Lederteilen und eben Metallteilen.

Wir packten erst jetzt unser Seil aus, da der Weg nun durch eine Bruchzone und später über schneebedeckten Gletscher führt. Bei der nächsten Rast holte uns endlich auch die Sonne ein und wir genießen die wärmenden Strahlen. Unser Blick geht über den Fornokessel zurück auf die Gipfel von gestern (Cevedale, Palon de la Mare) sowie Königspitze. Und links über uns hängt ein Eisbruch vom Gipfel herab. Neben uns sind nur noch besagte Bergführergruppe (Bergführer und sechs weitere Personen an einem Seil!) sowie zwei italienische Bergführer mit jeweils wenigen Personen unterwegs. Über eine lange Rampe stiegen wir stetig höher. Bevor wir zum Gipfelhang kommen müssen wir noch eine Randkluft sowie einen ca. 35 Grad steilen Aufschwung überwinden.

Steile Firnrampe

Der Firn ist jedoch stabil und wie schon erwähnt die Teilnehmer sehr gut unterwegs. Damit stellt auch diese Passage kein Problem dar. Die letzten Meter geht es dann nochmals über einen Grat und oben am Gipfel trifft man dann alle Weggefährten an diesem Berg wieder.

Belebter Gipfel

Der Abstieg ist unproblematisch, da die Eisoberfläche inzwischen ein wenig angetaut und damit richtig griffig ist. Auch eine Minigletscherspalte findet einer von uns noch mit einem Bein (mehr hätte da wohl auch nicht reingepasst). Auf dem unteren langen Flachstück angekommen, möchte Alex noch ein Souvenir mitnehmen. Ein schöner Granatsplitter wäre doch etwas. Zuerst finden wir auch den Kopf einer Hülse. Doch dann sind wir selbst ein wenig überrascht: Liegt da doch eine ausgewachsene, 90 Jahre alte, vollständige Granate! Später auf der Hütte melden wir diese und hören, dass das Militär im September für die Sprengung der Granate sorgen wird.

Bombenstimmung

Auf dem Fornogletscher erkennt man (leider) auch den zunehmenden Gletscherschwund. Die angebrachten Messstangen ragen über 4 Meter aus dem Gletscher und vor einigen Jahren musste der Weg zum Gletscher neu angelegt und zwei Hängebrücken installiert werden.

Hängepartie mit Branca-Hütte

Heute sind wir deutlich früher zurück an der Hütte und genießen das verdiente Bier bzw. Kaffee und Kuchen auf der Sonnenterasse. Der Wetterbericht hat sich glücklicherweise geirrt und die Gewitter bleiben uns am Nachmittag erspart. Der Nachschlag beim Abendessen wird reichlich genutzt und bei einem (oder auch mehreren) Gläschen Rotwein am Abend lassen wir den Tag noch einmal Revue passieren. Überhaupt war es eine sehr zünftige Truppe. Und über Jägerlatein mit Füchsen und Bergstöcken gab es viel zu berichten …

Für den Mittwoch hatte der Wetterbericht den Durchzug einer Störung gemeldet. Jörg hatte sich entschlossen, die Weiterreise zu Freunden nach Frankreich anzutreten. Wir anderen Vier wollten unser Glück noch ein wenig weiter südlich versuchen. Wenn von Nordwesten die Störung kommt, könnten wir da doch Glück haben. Über den Passo di Gavia ging es mit dem Auto zum Tonale-Pass. Dort holten wir nochmals Infos über das Rifugio Denza (Rifugio Stavel) und die Zufahrt dorthin ein. Im AV-Führer von 1978 ist zu lesen, dass die Zufahrt zum ehemaligen Fort Pozzi Alti nicht mehr möglich ist. Aber in den letzten 30 Jahren hat wohl jemand die Straße repariert und so können wir uns 500 Höhenmeter Zustieg sparen. Nur gut, dass uns niemand entgegen kommt. Jedes Ausweichen würde auf diesem Forstweg ein großes Problem darstellen. Vom Parkplatz am Fort führt uns ein malerischer Weg in ca. 1½ Stunden auf die erst 2002 renovierte und ausgebaute Hütte, die vor wenigen Tagen 110jähriges Bestehen feierte. Sie liegt direkt nördlich der Cima Presanella auf 2298m. Gleich hinter der Hütte befindet sich ein schöner See und der Hüttenwirt ist fleißig dabei, in den umliegenden Felswänden Kletterrouten zu erschließen. Als er unseren „antiken“ Führer sieht, ist er sehr am Eintrag über die Hütte interessiert. Nach seiner Info ist der Weg zur Cima Presanella immer noch gut zu gehen.

Nachdem wir nun genau vier Personen sind stellt Hans (S.) erfreut fest, dass das für einen zünftigen Schafkopf gerade richtig ist. Der eine oder andere Teilnehmer hat zwar noch Bedenken über seine mangelnde Spielpraxis. Aber nachdem es nur um die Ehre geht, sind diese schnell ausgeräumt. Und so werden wir an den nächsten zwei Abenden den „weltbesten Ausspieler“ (oder war es der weltschlechteste?) kennenlernen, das Paar, das grundsätzlich verliert wenn es zusammen gehört oder auch die Weisheit bei einem Super-Solo: „Es geht ja nur drum, dass de Karten durchanander gschmissn werdn.“. Anmerkung für alle Schafkopffreunde: Wenn dann aber jemand acht Trümpfe und fünf Laufende hat, Ausspieler ist und immer noch keinen Tout spielt dann hat das eher mit Feigheit vor dem Feinde zu tun. So haben wir viel gelacht und mit einem zünftigen „Contra“ auch einmal versucht die am zweiten Abend anwesende Pfadfindergruppe in der Lautstärke zu übertrumpfen. Doch um 22 Uhr ist Hüttenruhe. Denn morgen geht es um 6 Uhr los zur Cima Presanella.

Früher Aufbruch

Leider hat sich Alex gestern den Magen verrenkt. Und so entscheidet er sich, das Bett zu hüten. Die verbleibende Gruppe startet pünktlich und wie immer schwer mit Spiegelreflexkameras bewaffnet in Richtung Gipfel. Dass unser Jäger nicht dabei ist, hat sich schnell in der Tierwelt herum gesprochen. Eine Gruppe von Steinböcken gibt schon fast nur widerwillig den Weg frei und lässt uns auf ca. 10 bis 15 Meter heran. Mit unseren Teleobjektiven hätten wir sie jedoch sowieso „erwischt“.

Gell do schaugst

Der Weg führt bis fast zum Passo Cercen auf 3022m über Wiesen, Blockwerk und zuletzt Gletscherschliff. Auf dem Gletscher dann geht es mit Steigeisen und Seil weiter zur Sella di Freshfield, einer Scharte auf 3375m. Im Führer hieß es für dieses Teilstück „Spaltenreicher Gletscher“. Aber zum Glück war die einzige Schwierigkeit ein kurzes steileres, blankes Gletscherstück.

Am Passo Cercen (hinten das Adamello-Massiv)

Auf der anderen Seite der Scharte einige Meter hinab (Stahlseil versichert) führt der Weg nun flach südlich über den Nardis-Gletscher zum Fuße einen langen Grates, der direkt auf die Presanella führt. Zuerst über Blockwerk müssen wir kurz unter dem Gipfel noch über einen Firngrat. „Ein Hauch von Biancograt“ war zu hören. Aus der Entfernung sieht das dann immer gleich relativ steil aus. Doch direkt vor Ort stellen wir die guten Verhältnisse fest. Es dauert nicht mehr lange und wir stehen auch heute wieder bei Sonnenschein auf der 3558m hohen Cima Presanella. Neben dem Gipfelkreuz steht hier auch noch ein trigonometrischer Punkt. Wir sind ganz alleine hier oben. Der Blick auf die umliegenden Berge beweist uns, dass wir genau die richtige Entscheidung getroffen haben. Über uns die Sonne und viele der anderen Gipfel in Wolken. Wenn Engel reisen …

Gipfelbrotzeit

Bevor die Quellbewölkung auch hier herauf kommt (und uns der Teufel einholt), verabschieden wir uns wieder. Auf dem selben Weg kommen wir bergab deutlich schneller voran. Nach einer knappen Stunde stehen wir schon wieder außerhalb des Gletschers. Jetzt aber heißt es Geduld haben. Kommt die Sonne nochmal so durch die Wolken, dass der Sonnenstrahl genau in den Gletschersee am Ende des Gletschers scheint und diesen so richtig türkis zum Leuchten bringt? Nach einer Viertelstunde hat sich die Geduld gelohnt und auch die Fotografen kommen auf Ihre Kosten.

Lange erwartet

Überhaupt ist der Zeitbedarf fürs Fotografieren nicht zu unterschätzen, wenn man den weltbesten Fotografen als Teilnehmer dabei hat (Anm. des Gemeinten: Gschmaatz!). Aber Zuhause wird man dafür auch mit den weltbesten Fotos belohnt. Fünf Minuten vor der Hütte dann hat Hans (der Chef) noch eine super Idee. Er erklärt sich bereit, vier Bier von der Hütte zu holen. Und so lassen wir uns nochmals bei einem zünftigen Ratsch auf einem Felsplateau über der Hütte und dem Lago di Presanella die letzten Tage vorüber ziehen.

Presanella im Abendlicht

Am letzten Tag dann verabschieden wir uns aus diesem Gebiet und von unserer Tourenwoche. Der Rückweg zum Auto führ uns noch über den Passo del Pozzi. Dahinter verbirgt sich nochmals ein malerischer Weg. Auf den letzten Metern ins Tal dann haben wir doch Gegenverkehr. Dank meinen Einweisern aber kommen wir ganz knapp (es wird behauptet, nicht einmal ein Blatt Papier hätten zwischen die Autos gepasst) aneinander vorbei.

Auch wenn die Tour zur Dauphine ausfallen musste, so sind sich doch alle Teilnehmer einig, dass die Ersatztour ein voller Erfolg war. An meine Teilnehmer ein herzliches Dankeschön für die Pünktlichkeit und Disziplin. Da macht es Freude für den DAV Touren zu führen.

(Anm. Hans Sterr: Wisst Ihr eigentlich, was für tolle Tourenleiter wir in der Sektion haben? Wenn nicht, solltet Ihr zB einmal mit Michael  Kreuz losziehen … sehr stark!)

Mit dabei:  Jörg Gisbert, Alexander Lechner (Co-Führer), Hans Mau, Hans Sterr (Fotos), Michael Kreuz (Führer und Bericht)

Auf dem Cevedale

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